Gesammelte Informationen! Demografische Entwicklung stellt Den Vekehrswegeplan in Frage
Augen zu für ein bekanntes Problem
Die Probleme einer ungünstigen Bevölkerungsentwicklung sind nicht über Nacht entstanden. Doch
laufen Politiker den Problemen gern davon.
Schon seit 30 Jahren ist die Geburtenrate in den alten Bundesländern deutlich niedriger, als zum
Erhalt der Bevölkerung notwendig ist. Die zehnte „koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für die Zeit bis 2050“
des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2003 lieferte die statistische Grundlage für weitere Überlegungen.
Seither beschäftigt sich die Wissenschaft der verschiedensten Disziplinen mit dem Thema, und ganz langsam
erreichen diese Erkenntnisse die Politik. Die Sozialpolitik ist dabei ganz vorn – die Verkehrspolitik ganz hinten.
Quellennangabe der Fahrgast · 3/2006
Der wachsende Anteil Hochbetagter spricht trotz potenziell hoher Motorisierung auch in Zukunft für Veränderungen
in den Mobilitätsmustern und der Verkehrsmittelwahl Älterer.
Untersuchungen zur „Mobilität in Deutschland 2002“ lassen vermuten, dass die dort dokumentierten
Unterschiede bei der Verkehrsmittelwahl auch künftig auftreten werden, obwohl insgesamt der Anteil des Pkw-Verkehrs bei den
Älteren wahrscheinlich zunehmen wird.
Dieses ist bei den Männern, wesentlich ausgeprägter, bei den Frauen, ist heute mit zunehmendem Alter
eine deutliche Abnahme der Wege, die als Pkw-Selbstfahrer zurückgelegt werden, zu verzeichnen. Pkw-Mitfahreranteile für die,
die nicht motorisiert oder mit dem öffentlichen Verkehr zurückgelegt werden, steigen an, umso stärker, je älter die Menschen
werden.
- Die Probleme der Älteren muss in Verkehrmassnahmen einfließen, folgende Aspekte sollten im Zusammenhang
mit der Veränderung der Verkehrsmittelwahl im Alter berücksichtigt werden:
- Ältere sehen schlechter:
Einengung des Gesichtsfelds, höherer Lichtbedarf,verzögerte Dunkelanpassung und Einschränkung des Dämmerungssehens.
Daraus resultieren u. a.mangelnde Geschwindigkeitseinschätzung und langsamere/nachlassende visuelle Orientierungsleistung.
- Ältere hören schlechter:
Nachlassendes Hörvermögen, wodurch Motor- und Signalgeräusche erannahender Fahrzeuge schlechter wahrgenommen
werden und die akustische Vororientierung ausfällt.
- Ältere sind weniger beweglich, ihre Muskelkraft schwindet: Die Beweglichkeit und Gelenkigkeit von
Armen und Beinen lassen ebenso nach wie die motorische Koordinationsfähigkeit.Ältere reagieren langsamer, ihre Konzentrations-fähigkeit
lässt nach (insbesondere bei Zeitdruck), Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bewältigung komplexer Anforderungen und neuer,
ungewohnter Situationen; der Zeitbedarf für die Informationsverarbeitung nimmt zu. Die Überquerung von Straßen und
Zebrastreifen dauert wesentlich länger.
- Das Unfallrisiko steigt:
Ältere verunglücken häufig als Fußgänger, bei älteren Radfahrern ist die Tendenz steigend.
Konsequenzen
Für die Mobilität und den Verkehr bedeutet dies:
- Nahversorgung und Nahmobilität gewinnen an Bedeutung:
- Kürzere Distanzen nehmen zu, der Umweltverbund und insbesondere das Zufußgehen gewinnen an Bedeutung.
- Angebotsdifferenzierung:
Neben sozialen Dienstleistungen sollten auch wohnungsbezogene Mobilitätsdienstleistungen (organisiert
wie z. B. Car-Sharing, Mieterticket, Bereitstellung ebenerdiger Fahrradabstellmöglichkeiten auch in Mietshäusern;nicht organisiert
in Nachbarschaftshilfe) unterstützt und ausgebaut werden – erste Erfahrungen aus Pilotvorhaben liegen vor
derFahrgast · 3/2006 11
- Zuwanderung gleicht nicht aus
Zuwanderung kann die Schrumpfung der Bevölkerung nicht aufhalten. Die Einwohnerzahl von heute rund 82
Millionen würde bis zum Jahr 2050 bestenfalls nur auf 80 Millionen schrumpfen, wenn eine hohe Zuwanderung von 300.000 Personen
pro Jahr erreicht werden sollte. Eine solche Prognose ist als unrealistisch zu betrachten, wenn man bedenkt, dass die Zuwanderung
in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt nicht einmal 200.000 Personen pro Jahr erreicht hat und in den letzten Jahren deutlich
zurückgeht. Im Fall einer jährlichen Zuwanderung von lediglich 100.000 Personen pro Jahr – die im Jahr 2004 sogar noch
unterschritten wurde – würde die Bevölkerung auf 67 Millionen zurückgehen. Dann bliebe jede fünfte Wohnung leer.
Als wahrscheinlicher sieht das Statistische Bundesamt eine mittlere Variante an, die von einer jährlichen Zuwanderung von
200.000 Personen ausgeht. Dann könnte die Bevölkerung im Jahr 2050 bei etwa 75 Millionen liegen – etwa 10 %
weniger als heute.
Ob die Zuwanderung allerdings diese Werte erreicht, stellen Beobachter der jüngsten Entwicklung in Frage.
Im Jahre 2004 lag die Zuwanderung bereits unter 100.000 Personen pro Jahr.
- Verkehrsprognosen: zu kurz gedacht
Die derzeit erstellten Prognosen für den Verkehrssektor enden viel zu kurzfristig. Der geltende Bundesverkehrswegeplan
beruht auf Daten aus dem Jahr 1997 und einer hieraus entwickelten Prognose bis 2015. Eine Fortschreibung bietet das „acatech
Verkehrsszenario“, in dem die Ausgangsdaten auf das Jahr 2002 akt-ualisiert und das Verkehrsszenario für 2020 entwickelt
werden.
Doch beide Prognosen sind nach heutigen Erkenntnissen als ausgesprochen unbrauchbar zu bezeichnen. Mit
dem Jahr 2020 setzt nämlich die Schrumpfung der Bevölkerung unübersehbar und massiv ein. Bis 2040 wird das Land Nordrhein-Westfalen
trotz erheblicher Zuzüge etwa 10 % der Bevölkerung verlieren. Im Bundesdurchschnitt wird die Abnahme der Bevölkerung noch
höher ausfallen. Bis 2050 wird die Bevölkerungszahl um weitere 10 % abnehmen, prognostiziert das Statistische Bundesamt. Bundesländer,
die vom innerdeutschen Zuzug nicht profitieren können, werden noch erheblich höhere Bevölkerungsverluste verzeichnen. Aufgrund
der derzeit veröffentlichten Prognosen über Zu-und Abwanderung wiegen sich die Vertreter aus Regionen, die zu den Gewinnern
gehören, in einer falschen Sicherheit.
Die derzeit publizierten Prognosen lauten nämlich ausnahmslos auf das Jahr 2020. Dieses Jahr markiert
aber gerade den Höhepunkt der Bevölkerungszahl. Die Wanderungsbewegungen, die sich zwischen heute und 2020 abspielen werden,
sind genauso einmalig wie der starke Zuzug um 1990 aus der Sowjetunion. Denn wenn die jungen Menschen aus den neuen Bundesländern
abgewandert sind, wachsen dort auch weniger heran, die danach abwandern könnten. Nach 2020 wird daher die Bevölkerung auch
in den Regionen abnehmen, die als „Gewinner“ mit Zuwächsen von bis zu 20 % angegeben werden und vielleicht schon
2030 oder 2040 nur noch genauso viele Einwohner haben wie heute
Weiterführende Informationen:
- Zentrum für demografischen Wandel (grundlegende,
leicht verständliche Informationen),
www.zdwa.de- Aktion Demografischer Wandel (Bertelsmann-Stiftung)
(aktuelle Studien, im „Wissenspool“ umfangreiches
Material)
www.aktion2050.de- Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung
und Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen
(ILS NRW), Dortmund
(umfangreiches Angebot von
Forschungsberichten),
www.ils.nrw.de- acatech – Projektbericht Mobilität 2020, Fraunhofer
IRB Verlag, Stuttgart 2006,
www.acatech.de >
Publikationen > Projektberichte
derFahrgast · 3/2006 17